Trotzdem

*Post enthält Werbung - das Schnittmuster wurde mir frei zur Verfügung gestellt*

Jeans selbst zu nähen ist aufwendig. Das ist nun einmal so - wie bei allen komplexeren und technisch komplizierteren Schnitten. Die hüpfen nicht mal eben von der Nadel. 

Jeans selbst zu nähen ist auch nicht günstig. Guter Jeansstoff, der nicht nach einmal Tragen total ausgeleiert ist, nicht nach Chemie stinkt und keine hohen Kunststoffanteile hat, kann pro laufendem Meter mehr als so manche fertige Billigjeans kosten. 

Jeans zu kaufen geht dagegen so schnell und einfach. Und kostet oft auch so verd... wenig Geld. Deutlich weniger als Material- und Zeitverbrauch meinerseits nüchtern gerechnet kosten würden.

Trotzdem gibt es für mich viele Gründe, Hosen und gerade auch Jeans selbst zu nähen, sei es die Selbstbestimmung des Stils, die Optimierung der Passform, eine Reihe sozio-ökologischer Aspekte, der Gegenpol zum fast-sewing oder einfach die Freude an der Gestaltung. 

Jeans-Nähen ist für mich letztlich Zufriedenheit, die sich im Gegensatz zu Kaufkleidung jedesmal einstellt, wenn ich eine meiner selbstgenähten Hosen aus dem Schrank nehme - weil ich weiß, wie viel Energie ich hineingesteckt habe, jede Naht kenne und mich über das Ergebnis freue, das so geworden ist, wie ich es wollte. 

Diese Jeans hier ist eine "Jeans #sewclassic" von Hilli Hiltrud. Aus Bio-Jeansstoff, genäht unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen (nachts unter starkem Einfluss von Alkaloiden wie Koffein und Theobromin), definitiv slow-sewing (es waren mehrere Nächte mit noch mehr Kaffee/Tee und Schokolade), und ganz sicher im Glücksindex ganz oben angesiedelt (was weder am Glück in der Tasse noch am zartschmelzenden Genuss auf der Zunge liegt).


  
Die "Jeans #sewlassic" ist wie der Name schon sagt, ein ganz klassischer Jeansschnitt. Vorne hat sie zwei Taschen sowie eine Münztasche (ich habe mir sagen lassen, dass die eigentlich auf die rechte Körperseite gehört, weil die meisten Menschen nun einmal Rechtshänder sind - aber ich mache das ehrlich gesagt lieber so, wie es für mich am praktischsten ist).



Hinten sind die üblichen zwei Gesäßtaschen. Bei klassischen Jeans werden an Hüftseite und/oder Bundseite der Vordertaschen, an der Ecke der Münztasche sowie an den Außenkanten der Gesäßtaschen oft Nieten angebracht - was ich bei meinen Jeans immer gerne als Abschlussritual mache. Ich finde es unheimlich toll, nach dem letzten Hammerschlag die dann fertige Jeans in den Händen zu halten (und dann natürlich sofort anzuziehen).



Die Postion der Gesäßtaschen in der Rückansicht wie auch von der Seite gefällt mir sehr gut, ebenso ihre Größe. Beides entspricht dem Schnittmuster. Da Größe und Position der Gesäßtaschen den Gesamteindruck der Hose stark beeinflussen, kann es z.B. bei deutlich schmaleren oder breiteren Hüften Sinn machen, diese anzupassen. Das ist letztlich eine Chance und ein Vorteil gegenüber Kaufhosen, eine noch schönere Passform hinzubekommen. Hilfestellung findet sich zum Beispiel bei Closet Case Patterns.



Ich habe den Schnitt an den Hosenbeinen etwas verlängert, weil ich Hosen oft wie hier auf den Fotos mit umgekrempelten Hosenbeinen zu Turnschuhen oder Stiefeletten trage, andererseits aber auch gerne mal in voller Länge zu hochhackigen Schuhen. 



Das Taschenfutter der Hose ist übrigens aus einem Rest des Stoffes, den ich für die hier getragene Bluse verwendet habe. Noch so ein Grund zur Freude.

Fazit zum Schnittmuster:
Anleitung: Vor dem Nähen von Hosen und insbesondere Jeans hatte ich lange einen besonders großen Respekt, habe ich eigentlich auch immer noch. Meiner Erfahrung nach steht und fällt so ein Nähprojekt mit der Qualität der Anleitung und ebenso die Motivation, nochmals eine Hose selbst zu nähen - mindestens was Unerfahrene betrifft. Ich habe in den letzten Jahren die ganze Bandbreite erlebt von minimalistischer Kurzbeschreibung bis zum selbst das kleinste Detail ausführlich beschreibenden Tutorial und hatte das Glück, mit letzterem gestartet zu sein. Die Anleitung zur "Jeans #sewclassic" finde ich sehr gut. Sie ist nicht so extrem detailverliebt wie die Tutorials von Closet Case Patterns oder Alina Sewing + Design Co., aber es ist alles drin (oder verlinkt), um ohne zusätzliche Recherche zu einem guten Ergebnis zu kommen.  
Passform: Ich habe meine „Jeans #sewclassic“ in Größe 36 entsprechend Schnittmuster zugeschnitten und lediglich den Bund um 3 cm nach unten versetzt sowie die Beine um 10 cm verlängert. Ansonsten ist sie unmodifiziert und passt dennoch sehr gut. Die an den Beinen gerade geschnittene Hose ist eine sehr gute Alternative zu meinen "Ginger Skinny Jeans" von Closet Case Patterns und wird nicht die letzte ihrer Art bleiben.
Variabilität: Die Stärke selbstgenähter Hosen liegt in der Schnittanpassung, um den eigenen Proportionen gerecht zu werden und damit eine bessere Passform zu bekommen. Das Schnittmuster "Jeans #sewclassic" enthält keine direkte Anleitung zur Anpassung, aber einen Link zu einem Tutorial von Hilli Hiltrud, in dem genau gezeigt wird, wie der Schnitt verändert werden kann, etwa wenn Hüfte und Taille nicht derselben Kleidergröße entsprechen. Ganz abgesehen davon lässt sich der Hosenschnitt zusätzlich auch durch die Stoffwahl schnell abwandeln. 
Was ich beim nächsten Mal anders machen würde: Am Schnitt selbst würde ich wenig modifizieren, da die Hose an sich schon gut sitzt. Aber ich habe hier noch einen Cord mit leichtem Stretchanteil, der zu dem Schnitt passen könnte.



Fazit zum Stoff:
Ob ein Hosenstoff etwas taugt, zeigt sich mir manchmal erst nach dem Tragen. Manche Hosen sind schon nach einem Tag so ausgeleiert, dass sie, obwohl meist noch sauber, gewaschen werden müssen, um wieder in Form zu kommen. Meine hier gezeigte Hose habe ich während der Ferien probeweise über eine Woche lang täglich getragen und letzten Endes nur deshalb dann doch in die Waschmaschine gesteckt, weil sie nach einem Wildparkbesuch ein bisschen zu sehr nach Streichelgehege roch. Ihre Form aber hat die Hose die ganze Zeit über gut gehalten.

Links:
Und Verlinktes:

Kommentare

  1. Ich finde die Jeans super super schön! Dass du nichts anpassen musstest, ist ja traumhaft und minimiert doch den Arbeitsaufwand deutlich (obwohl natürlich immer noch kein fixes Projekt). Aber dass Jeans kaufen "schnell und einfach" geht, kann ich auch nicht bestätigen. Und mit Jeans Schnittmustern habe ich bisher ebenso keine guten Erfahrungen gemacht, bleibe da bei meinen eigenen Schnitten (Klone von Kaufhosen oder mein Maßschnitt) hängen. Du scheinst eine Figur nahe am "standard" zu haben, sonst kann ich mir das nicht erklären ;-)

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    1. Liebe Kathrin, danke dir! Das ist sicher bei jedem anders und ich entspreche wohl tatsächlich mehr oder minder einer Standardgröße, was das Kaufen wie auch Nähen von Hosen oft bequemer machen mag. Trotzdem habe ich ewig nach einem Ersatz für eine gekaufte Hose gesucht, die so nicht mehr produziert wird und deren Nachfolgemodell eben nicht mehr so gut passt, und es irgendwann frustriert gelassen. Danach folgten dann mehrere selbstgenähte Jeans und Chinos, die auch nicht ideal waren und alle angepasst werden mussten. Allein bei der Ginger und dieser Jeans #sewclassic hier bin ich gut ohne Anpassung gefahren. Und da werde ich dann wohl hängenbleiben ;)
      Liebe Grüße, Fiene

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